François Morellet
Werke 1952 – 1971

30.11.2014 - 17.05.2015

Dreiecke und Quadrate, Linien und Striche, Kreisbögen und Gitterraster – Geometrie pur wohin man schaut, konkret-konstruktive Kunst par excellence.
Die aktuelle Ausstellung in der Stiftung für konkrete Kunst zeigt Werke des französischen Künstlers François Morellet (*1926) aus den Jahren 1952 bis 1971. Und dies nicht im heiligen White Cube, sondern in einer Black Box.

Wichtige, sein Werk prägende Ereignisse und Begegnungen dieser Anfangsjahre hat der 'Autodidakt' Morellet immer wieder selbst benannt:
1950 ein Aufenthalt in Brasilien, wo er erstmals Werke der 'mathematischen' Kunst sieht.
1952 ein Besuch der Alhambra.
1954 die erste persönliche Begegnung mit Max Bill, einem der wichtigsten Verteter der konkreten Kunst.
1960 die Gründung der Groupe de Recherche d'Art Visuel (GRAV) in Paris und im selben Jahr der Zusammenschluß der Künstlergruppe Nouvelle Tendance in Zagreb.

Nicht ohne Grund wurde diese Zeitspanne, das Frühwerk des Künstlers, für die Ausstellung ausgewählt, denn in dieser Werkphase erstellt Morellet sein gesamtes Repertoire, entwickelt er bereits alle Formen und Systeme, auf die er bis heute in immer wieder neuen Variationen und Materialien zurückgreift.
Ein zweiter Grund ist, dass sich hier in Reutlingen, in der Sammlung Manfred Wandel, in Obhut der Stiftung für konkrete Kunst, die weltweit größte Sammlung dieser frühen, programmatischen Werke von François Morellet befindet.

Unter der mittlerweile fast unüberschaubaren Menge an Publikationen über und von François Morellet nimmt der 1977 erschienene Ausstellungskatalog (Berlin/Baden-Baden/Paris) eine bemerkenswerte Sonderstellung ein. Denn hier nimmt Morellet erstmals unter dem Titel Die Ordnung der Arbeiten eine bis heute gültige Einteilung seiner Werke in "5 große System-Familien" vor:
Aneinanderreihung / Überlagerung / Zufall / Interferenzen / Fragmentierung.

Das besondere der Reutlinger Ausstellung ist nun, dass in einem einzigen Raum zu jedem dieser Systeme ein oder mehrere Beispiele zu sehen sind. Und zudem hängen hier nicht irgendwelche Arbeiten, sondern viele von ihnen sind Bilder mit dem Status des 'zum ersten Mal'.

Das Prinzip der Aneinanderreihung Lignes grises et noires oder Peinture (1952), das Prinzip Überlagerung 2 trames de lignes parallèles (1952) oder Trames 0° - 45° - 22,5° (1959), die ersten Zufallsbilder 4 répartitions aléatoires de 2 carrés suivant les chiffres 31-41-59-26- 53-58-97-93 (1958) und Réaction avec le noir et le blanc d'une couleur tirée au hasard (d'après le nombre pi) (1958), erste Interferenzen 5 groupes de lignes parallèles -1°-2°, 0°, +1°+2° (1971) und eines der berühmtesten Bilder des Künstlers, die erste Fragmentierung Arc de cercle brisé (1954).
Ganz gleich, wo auf der Welt eine wichtige Morellet-Ausstellung stattfindet, ob in Philadelphia, New York, Sydney, London, Grenoble, Paris, Berlin, Zürich oder Bern, der zerbrochene Kreisbogen muss auf Wunsch des Künstlers dabei sein und ist somit das am weitest gereiste Bild der Sammlung.

Im Vergleich mit den beiden großen Übersichtsausstellungen von François Morellet 1991 und 2003 in der Stiftung für konkrete Kunst, ist diese 'kleine' Ausstellung vielleicht die wichtigste, denn ihr Konzept und ihre Exponate sind absolut deckungsgleich mit dem Motto des Künstlers "wie man mit möglichst wenig auskommt".

GK 24.11.2014

Fotos: Manfred Wandel